Restauration eines Fernsehgeräts aus den 60er Jahren

In diesem Bericht möchte ich euch meine Erfahrungen bei der Restauration des Fernsehgeräts Graetz Kalif F 453 mitteilen. Ich hatte diesen Fernseher vor etlichen Jahren von einem Freund geschenkt bekommen, aus Platzmangel aber nie die Gelegenheit gehabt, mich näher damit zu beschäftigen. So stand das Gerät ca. 20 Jahre in Keller und Garage und wartete darauf, irgendwann wieder zum Leben erweckt zu werden:

Zunächst habe ich nach dem Abnehmen der Rückwand das Innenleben inspiziert:

Wie erwartet war der Graetz ganz schön verstaubt, und ausserdem fanden sich eine Menge Spinnenweben, wie im nächsten Bild rechts oben zu sehen:

Auf den meisten Bauteilen hatte sich eine dicke Staubschicht gebildet, so dass man teilweise die Werte nicht mal mehr lesen konnte:

Die Restauration beginnt mit einem gründlichen Reinigen des Innenlebens, was man am besten mit einem Pinsel bewerkstelligt.

Weiterhin kann ein Staubsauger nützlich sein, um den gelösten Schmutz zu entfernen. Ausserdem vermeidet man so eine Staublunge (hust ;-)

Während der Reinigung konnte ich schon einige verdächtige Bauteile sehen, die vermutlich defekt waren oder zumindest funktional überprüft werden sollten. Dieser Katodenwiderstand z.B. war leicht angebrannt, stellte sich aber nach ohm'schen Durchmessen als ok heraus (360Ohm):

Genauso angekokelt waren diese beiden Widerstände, die aber trotzdem in Ordnung waren. Man misst sie am besten, in dem man eine Seite auslötet um sie dann mit dem Ohmmeter durchzumessen. Solange die Widerstände mit beiden Seiten noch eingelötet sind, ist eine Messung mit dem Ohmmeter nicht wirklich aussagekräftig, weil man etwaige Bauelemente, die zum Widerstand parallel liegen, mitmisst (z.B Spulen, Widerstände, Dioden, etc.)

In der Horizontalendstufe fielen mir der geschmolzene Kondensator und der ungleichmäßig gewickelte Drahtwiderstand (Mitte links) auf:

Danach klappte ich das Chassis auf, und es kamen eine Menge Röhren zum Vorschein. Wie schön! Nicht ein einziger Transistor in diesem Gerät. Links neben dem Chassisrahmen war ein Produktionsstempel angebracht, der das Baujahr des Graetz Kalif verriet: 5.März 1961. Alle Achtung, die Kiste war also richtig alt!

Hier also der Produktionsstempel, dananch ein Bild vom geöffneten Chassis:

Auch hier folgte eine visuelle Inspektion auf Beschädigungen, und schon nach kurzer Suche wurde ich fündig. Dieser nette weisse Blumenkohl auf einem der Siebelkos liess Schlimmes über dessen Befindlichkeit erahnen:

Zwei andere Elkos sahen noch schlimmer aus. Was war passiert? Elkos bestehen im Inneren aus einem feuchten Dielektrikum, welches zum einen die beiden Pole voneinander trennt und zum anderen den Kapazitätswert mitbestimmt. Leider altern die Elektrolytkondensatoren mit der Zeit, wobei verschiedene Effekte auftreten können: Bei der harmlosen Variante verlieren sie nur einen Teil ihrer Kapazität. Im schlimmeren Fall werden sie auch noch niederohmig und ziehen erhöhten Leckstrom. Dieser Leckstrom führt dazu, dass sich der Elko erhitzt - was man auch fühlen kann. Normalerweise sind Elkos kalt, eine Erwärmung findet höchstens durch die im Inneren des Geräts gestaute Hitze statt. Ist ein Elko aber merklich warm oder sogar HEISS, dann ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Diese Erhitzung führ nämlich zu einem regelrechten Sieden des Dielektrikums, was wiederum einen starken Innendruck im Kondensator auslöst, ähnlich wie beim Schnellkochtopf. Um den Kondensator und alles in der Nähe Befindliche zu schützen, haben die großen Elkos eine Art Überdruckventil, welches dann den Druck ablassen kann. Lässt man den Elko trotzdem weiterschmoren, kommt es im Allgemeinen zu einem plötzlichen Knall, bei dem die Gerätesicherung herausfliegt (im günstigsten Fall, gelegentlich verabschieden sich auch noch ein paar Gleichrichterdioden oder Widerstände), weil der Elko durch innere Zerstörung des Dielektrikums einen Kurzschluss bekommt. Und da wir es hier normalerweise mit hohen Spannungen und starken Strömen zu tun haben, sind die Effekte eines Siebelkodurchschlags immer spektakulär.Hier war es aber nicht so weit gekommen, aber unten liegende 200uF / 350V Elko war definitiv defekt:

Um keine bösen Überraschungen zu erleben, tauschte ich ihn direkt aus, wie man auf den nachfolgenden Bildern sieht:
 
 



Der intakte obere Elko hat nun seinen Platz gewechselt, und oben thront ein neuer 200uF /350V.
 
 

Nachdem es sonst keine Auffälligkeiten wie Röhrenbruch, fehlende Bauteile o.ä. gab, schloss ich den Kalifen an meinen Trenn-/Regeltrafo an und für die Spannung langsam hoch, mit einem kritischen Auge auf das Amperemeter. Nennleistungsaufnahme sollten 180Watt sein, also dürften maximal rund 0.8A fliessen. Es floss aber zunächst mal gar nichts, also überprüfte ich die Netzsicherungen, die sich aber alle als ok herausstellten. Dafür fiel mir auf, dass die mittlere Sicherung lose im Halter wackelte, was sich durch Nachbiegen der oberen Haltelasche aber einfach lösen liess:

Nun ein erneuter Test mit langsamen Hochfahren der Betriebsspannung. Und siehe da, die Röhren begannen zu glühen! Der Stromverbrauch bei 220V war aber zu hoch (über ein Ampere), weshalb ich den Regeltrafo auf 150V einstellte, was eine Stromaufnahme von 0,5A bedeutete. Sehr schön, das Gerät zog also Strom, demnach waren bei keiner der in Reihe geschalteten Röhren (hauptsächlich natürlich P-Typen, neben einigen E-Typen) der Heizfaden durchgebrannt. Neben dem dezenten Glühen der Röhren und einem minimalen Rauschen im Lautsprecher war aber sonst kein Lebenszeichen festzustellen. Während ich so fasziniert auf die antike Technik starre und im Geiste schon Rudi Carell's "Am laufenden Band" über die Mattscheibe flimmert, verabschiedet sich ein Bauteil unter mächtiger Rauchentwicklung. Da das Chassis aufgeklappt war (zur Beobachtung der anderen Elkos), konnte ich nicht direkt sehen, was das gerade kaputtgegangen war. Nach längerer Suche stellte sich heraus, das ein 0,1uF/1000V Netzkondensator verabschiedet hatte, recht effektvoll übrigens, denn die Netzsicherung war durchgebrannt! Hier ist er, mit ein paar verräterischen Tropfen geschmolzenen Kondensatorinnenlebens.

Aber dieser Kondensator war, ebenso wie die Netzsicherung, schnell ersetzt, und der Inbetriebnahmetest konnte fortgesetzt werden.

Nach wie vor war kein Bild zu sehen, auch vom Zeilentrafo war fast nichts zu hören. Beim Durchdrehen des VHF Kanalwählers konnte ich für einen kurzen Moment jeweils den Fernsehton hören, er verschwand aber nach ca. 1 Sekunde wieder. Dies kam aber nicht durch eine Kontaktschwäche des Tunerschalters, sondern liess sich ganz regelmäßig wiederholen. Nach etwa 10 min. Betrieb an 180V gab es schon wieder seltsame Geräusche, ein leichtes Knistern und Blubbern. Aber auch diesmal waren es nicht die Siebelkos, sondern zwei Siebkondensatoren 0,01uF/1000V im Heizkreis. Die beiden Kondis waren regelrecht dahingescholzen, wie man auf dem Bild gut erkennen kann:

Nach dem Ausbau war die Beschädigung besonders deutlich zu erkennen, ganz ehrlich, so einen ruinierten Kondi hatte ich in meiner langjährigen Bastelpraxis noch nicht erlebt, schaut selbst:

Da sie auf die Funktion des Fernsehers keinen unmittelbaren Einfluss hatten, kniff ich sie ab, sie sollten im weiteren Verlauf dann ersetzt werden.

Um nun langsam mal ein Bild zu sehen oder wenigstens einen Ton zu hören, speiste ich ein HF-Frequenzgemisch mit aufmoduliertem Rechtecksignal aus einem Digitaloszillator am Eingang der 1.ZF Röhre ein. Der Ton war im Lautsprecher deutlich zu vernehmen. Immerhin! Daraufhin überprüfte ich mit einem Oszilloskop die Bildröhrensignale, und auch hier kam ein (wenn auch schwaches) Videosignal an. Beim routinemäßigen Überprüfen der Bildröhrensockels fiel mir auf, dass ein Pin verbogen war und keinen Kontakt mit der Fassung hatte. Aha! Deswegen also kein Bild...dachte ich mir...., zumal es laut Schaltbild die Helligkeit war:

Also das Pinchen gerichtet und erwartungsvoll auf die Mattscheibe gestarrt, aber wieder nichts. Probeweise maß ich die Spannung an diesem Pin, sie varierte mit der Stellung des Helligkeitsknopfes, schien also in Ordnung zu sein. Auch die Rücklaufimpulse waren aufmoduliert. Woarn lag es dann? Das Problem mit dem Erscheinen und sofortigen Verschwinden des Fernsehtons beim Drehen des Kanalwählers deutete für mich auf ein Problem mit der Versorgungsspannung hin, sie schien zusammenzubrechen.

Also schaute ich mir den Zeilentrafo etwas näher an, er war, wie üblich zusammen mit H-Endröhre, Boosterdiode und Hochpannungsdiode in einem Käfig untergebracht. Ein probeweises Auswechseln der PY88 brachte keinen Erfolg, aber beim Rücktausch gegen die originale Röhre zeigten sich zwei weitere Kondensatoren, die zur Zeilenablenkspule gingen, deutliche Auflösungserscheinungen! Seht selbst die beiden unten links:

Und hier nochmal "en detail":

Der untere war ein 0,27uF/500V, der andere lediglich ein 0,01uF. Da bei Fernsehgeräten ein Teil der Betriebsspannung durch den Zeilenrücklauf generiert wird (via PY88), tauschte ich die Beiden direkt aus, sie waren durchgeschlagen und zeigten Durchlass! Deswegen konnten sie auch nicht zur Pufferung der Zeilenrücklaufspannung dienen. So sah es danach aus:

Leider musste ich hier auf zwei "moderne" Kondis zurückgreifen, weil in meinem Magazin keine älteren Modelle in Rundform mehr verfügbar waren.

Gespannt schaltete ich der Graetz wieder ein, und tatsächlich, der Zeilentrafo machte ein deutliches Arbeitsgeräusch. Jetzt war doch bestimmt auch ein Bild zu sehen, frohlockte ich. Aber denkste! Wieder nichts. Immerhin gab es jetzt Ton ohne Unterbrechung (den Digitaloszillator hatte ich schon wieder abgeklemmt), das war doch schon was. Um den Fehler weiter einzugrenzen, schaute ich mir die Spannungen an den Ablenkspulen auf dem Oszilloskop an. Vertikal gab es einen schönen Sägezahn mit riesiger Rücklaufspitze, das war ok. Horizontal gab es ein unsymmetrisches Rechtecksignal mit rund 15kHz, das sah auch gut aus, aber es hatte nur rund 10Vss. Nur 10Vss? So wenig? Ist das sonst nicht mehr? Was macht denn die Hochspannung? Wenn sie fehlt, gibt es auch kein Bild. Also schaltete ich den Fernseher aus, zog MIT GRÖSSTER VORSICHT den Hochspannungsanschluss der Bildröhre ab, und schaltete das Gerät wieder ein. Mit einer ans Chassis geklemmten Messleitung, die ich mit einer gut isolierten Zange hielt, näherte ich mich in Erwartung eines blauen Funkenüberschlags vorsichtig dem Hochspannungsanschluss, aber es passierte nichts. Nichtmal ein kleines Fünckchen spang auf die Messleitung (=Masse) über. Sollte das also der Fehler sein? Mit einem Ohmmeter prüfte ich (am ausgeschalteten Gerät, nachdem ich im Bereich Zeilentrafo / Hochspannung so ziemlich alles geerdet und entladen hatte, was dort ist) den Heizfaden der Hochspannungsdiode DY86 durch, er war ok. Ebenso war die eine Heizwicklung und die Hochspannungsleitung zur Bildröhre in Ordnung. Um auszuschliessen, dass die Röhrendiode defekt war, wiederholte ich den Funkenüberschlagtest mit direkt an der Hochspanungswicklung. Hier kam nur ein mickeriges Fünchen zustande, was darauf schliessen liess, dass die Hochspannung viel zu schwach war. Hoffentlich kein Windungsschluss im Zeilentrafo! Auf der Bestückungsseite kontrollierte ich daraufhin nochmal alle Bauteile im Bereich HA-Endröhre und Boosterdiode und "freundlicherweise" war dort auch noch ein Fehler zu finden. Ein 2.7k Drahtwiderstand als Gitterwiderstand der PL500 fiel durch seine unregelmäßige Wicklung auf:

Was soll ich euch sagen, er war natürlich auch defekt. Kurze Zeit später war der Ersatz eingelötet:

Als ich den Fernseher nun wieder einschaltete, lief der Zeilentrafo direkt an und erfreute mich mit kräftigem, aber gesundem Betriebsgeräusch. Auch die Hochspannung war nun da, was man am Knisten der Bildröhre vernehmen konnte. Sollte nun endlich Rudi Carell auf der Bildröhre erscheinen? Ein Blick auf meinen Reparaturspiegel vor dem Fernseher liess mich dann doch etwas mutlos auf meinem Stuhl zusammensinken: die Mattscheibe war und blieb schwarz! Grmpf! Da aber nun das Videosignal, die Ablenkspannungen und die Hochspanung anlag, konnte eigentlich nur noch die Spannung am Bildröhrengitter , die die Helligkeit beeinflusst, zu niedrig sein. Also verband ich über einen 100k Widerstand das Gitter 1 mit 200V, und ENDLICH, ENDLICH war das Bild da! Die Forschung nach der Ursache beförderte nach langer Suche erneut einen defekten Koppelkondensator als Schuldigen hervor. Dieser Koppelkondensator sass hinter dem Helligkeitsregler und koppelte die Rücklaufimpulse zur Strahlunterdückung auf Gitter 1. Obwohl die Imulse dort auch ankamen, zog er das Gleichspannungspotential dort so sehr wieder runter, dass die Bildröhre ständig dunkelgesteuert wurde. Ein Austausch gegen einen neuwetigen 100nF/400V brachte sofort das gewünschte Ergebnis.
 
 

Nachdem nun klar war, dass der Graetz Kalif grundlegend funktionierte, war es an der Zeit, etwas Kosmetik zu betreiben. Insbesondere die ZF Röhren (4x EF 80) quittierten jede Erschütterung mit herzftem Krächzen und Bildverlust. Also nimmt man der Reihe nach jede Röhre raus, hier exemplarisch an der V-Endröhre PCL805 dargestellt:

Mit einem feuchten Tuch wischt man den Schmutz von der Röhre. Vorsicht, nicht über die Schrift wischen, sie ist meist nur lose aufgedruckt und nicht wischbeständig. Man wischt am besten um sie herum:


 
 

Nachdem die Röhre vollständig gesäubert ist, sollte man die Beinchen sanft mit einer Messingbürste säubern. Dabei aufpassen, dass man nicht die Pins verbiegt oder vor lauter Gebürste die Röhre fallen lässt (deswegen lege ich immer ein Tuch aufs Chassis, was die Röhre dann auffängt...):

Den Sockel sprüht man am besten mit Kontakt60 ein, aber nicht zuviel davon nehmen, gelegentlich bilden sich sonst später Kurzschlüsse oder im HF Bereich unerwünschte Leitwerte.

Mit einem kurzen Blick in den Sockel erkennt der Fachmann ;-) schnell verbogene Pins, so wie hier Anschluss 4, ganz rechts. Mit einem Uhrmacherschraubenzieher lässt sich die Fassung aber wieder richten (bitte beachtet, dass gelegentlich noch Restspannung anliegt).

Und so sieht das ganze aus, wenn es fertig ist, hier wieder unsere PCL805 (sollte übrigens laut Plan eine PCL85 sein, die PCL805 scheint ein Ersatztyp zu sein, weiss jemand was dazu?):

Und nach einer weiteren Stunde -uff- waren alle Röhren gereinigt, ich finde, der Erfolg kann sich sehen lassen:


 
 
 
 

Witzigerweise gab es beim folgendem Probelauf, bei dem ich Bildlinearität, etc eingestellt habe, dann zufälligerweise eine historische Sendung mit alten Shows (nein, leider kein Rudi Carell, aber immerhin Robert Lemke), die ich für euch direkt fotografiert habe. Ich finde, sie passten perfekt zu diesem schönen Oldtimer:

Was bleibt noch zu tun? Nun, ein paar Dinge müssen noch erledigt werden. Z.B. werde ich noch den Fronttastensatz zwecks Reinigung ausbauen, ausserdem klemmt der Höhenregler (jaja, sowas Feines hat der Graetz). Dann wird das Gehäuse noch gesäubert und mit Pronto Möbelpolitur aufgefrischt. Auch zwei Siebelkos will ich vorsichtshalber noch wechseln. Zum Schluss werden noch die Schaubfüße wieder montiert und der Schlüssel für die Frontschiebetüren ersetzt. Danach bekommt der schöne Kalif einen Ehrenplatz in meiner Werkstatt!

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, dass eine solche Reparatur ohne Regel-/Trenntrafo, Oszilloskop, Signalgenerator, HF-Generator, Multimeter, Lötstation und gut gefüllte Ersatzteilkiste nicht recht machbar ist. Darüber hinaus hat mir der Schaltplan unendlich viel Sucherei erspart.

Ich hoffe, mit diesem Erfahrungsbericht Euch Mut gemacht zu haben, ähnliche Restaurierungen selbst zu machen, viel Spass dabei!